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Unsere Verantwortung als Organisation

von Mansour Aalam,
Foto: Kayla Johnson/Stocksy

Wegen der Corona-Krise ziehen viele Firmen und Organisationen Aufträge zurück. Das ist nachvollziehbar, aber der falsche Weg, findet Mansour Aalam: In einem Debattenbeitrag erklärt er, wie Institutionen und Unternehmen ihrer Verantwortung gegenüber den Individuen gerecht werden können.

06. April 2020

Der Artikel in Kürze
— Die Soforthilfen von Bund und Länder lösen für Solo-Selbstständige die Probleme nicht

— Gleichzeitig bekommen sie die Krise wirtschaftlich stark zu spüren
— Wir als Stiftung Grundeinkommen wollen daher keine Aufträge kündigen, sondern Planungssicherheit für alle Beteiligten schaffen

In den vergangenen zwei Wochen, in denen große Teile der Gesellschaft gemeinsam allein im Home Office saßen, tauchten auf allen Kanälen die immer gleichen Bilder auf. Fotos von Laptops am Küchentisch, Screenshots von Videokonferenzen, dazu die immer gleiche Versicherung: Wir kriegen das hin.

Etwa fünf Prozent aller Erwerbstätigen sind Solo-Selbstständige, sie haben all das vermutlich mehr oder weniger schulterzuckend bis kopfschüttelnd registriert, sieht doch ihre Lebens- und Arbeitsrealität schon lange genau so aus. Solo-Selbstständige gelten in der Gig Economy als Erfolgsmodell: flexible Spezialisten für Projekte, die sich mit klassischen internen Ressourcen der Unternehmen nur schwer bewältigen ließen. Und – bittere Ironie – die sich gerade während der Corona-Krise, in der große Teile der erwerbstätigen Gesellschaft unter ähnlichen Bedingungen im Homeoffice arbeiten, häufig in einer bedrohlichen Lage befinden.

50 Milliarden Euro hat die Bundesregierung kürzlich als Soforthilfe bereitgestellt, die allerdings vor allem für Kredite, Lohnzahlungen oder Mieten genutzt werden sollen. Spricht man jedoch mit Kreativen und Digitalexperten, stellt man schnell fest, dass dies nicht das dringendste Problem für sie löst: Was tut man, wenn die meisten Aufträge, mit denen man die kommenden Monate oder das ganze Jahr gerechnet hat, von einer Woche auf die andere abgesagt werden? Und wenn man wie viele eben nicht die Möglichkeit hatte, sich ein finanzielles Polster zuzulegen? Mal ganz zu schweigen von all den 450-Euro-Jobbern, die weder von der Unterstützung für Unternehmen noch von der Soforthilfe für die Solo-Selbstständigen profitieren. Die häufig als allererste Krisen ganz elementar zu spüren bekommen und auch nicht von Zuhause arbeiten können.

Verantwortung ist auch: Unsere Kosten sind der Umsatz anderer

So wichtig es jetzt ist, die Infektionsketten bei der Übertragung des Virus zu unterbrechen, so wichtig ist es auch, die Infektionsketten aus Unsicherheit und Rückzug bei der Zusammenarbeit mit anderen zu durchbrechen. Dies ist deshalb so bedeutend, weil wir heute noch kein dynamisches Unterstützungssystem wie ein Grundeinkommen haben, das in solchen Phasen Sicherheit geben und helfen könnte, die Abwärtsspirale zu stoppen. Im Zuge von Flexibilisierung und unter der Fahne von New Work ist es zu einer systematischen Übergabe der Risiken von Organisationen an Individuen gekommen. Die aktuelle Situation macht schmerzhaft deutlich, was auch zuvor schon zu erkennen war: Wenn wir die Vorteile der Flexibilisierung, die es zweifelsohne gibt, nutzen wollen, müssen wir als Gesellschaft auch den Schutz neu organisieren.

Wir als Organisationen müssen jetzt bedenken: Unsere Kosten sind Umsätze für unsere Dienstleister und Partner. Deren Kosten sind wiederum Umsätze für weitere Unternehmen. Das drastische Herunterfahren von Aufträgen, das für die eigene Organisation rational erscheint, führt gesamtgesellschaftlich zu irrationalem und höchst gefährlichem Verhalten. Die Empfehlung von uns lautet daher: Lockdown but don’t shut down.

Ganz ehrlich: Wir als Stiftung dachten zuerst auch daran, alle Projekte, die nicht essenziell sind, erst einmal zu stoppen. Auch unsere Ressourcen sind begrenzt. Aber anstatt alles abzusagen, haben wir kurz inne gehalten, die bestehenden Aufträge inhaltlich auf die neue Situation ausgerichtet und zeitlich gestreckt, um Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erhalten. Das Leben ist ein Mehrrundenspiel. Unsere Netzwerke sind unsere Stärke – lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese auch nach der Krise noch für uns da sein können.

Mansour Aalam, Geschäftsführer der Stiftung Grundeinkommen.
Foto: Markus Burke
Wir stellen uns neu auf: Neuer Name, neue Programmatik

Am 15. Februar schlagen wir ein neues Kapitel auf. Künftig verhandeln wir die Sozialsysteme der Zukunft – geleitet von unserer Vision einer fairen und zukunftsfähigen Gesellschaft, in der ein selbstbestimmtes Leben für alle zugänglich ist. Dazu geben wir uns einen neuen Namen: "Zentrum für neue Sozialpolitik"; und eine breitere Programmatik. Kommen Sie mit auf die Reise?