Allgemein
Es geht um mehr als um Hartz IV: Wir müssen Politik neu denken und neu gestalten – kleinteiliger, datenbasiert und ergebnisoffen. Ein Beitrag von Mansour Aalam von der Stiftung Grundeinkommen in unserer Serie zur Debatte über das Grundeinkommen.
Gerade hat das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen in der Hartz-IV-Gesetzgebung teilweise für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht verweist in seinem Urteil dabei auf einen zentralen Punkt, der über das eigentliche Urteil hinaus noch Relevanz besitzt:
„Ob verhängte Sanktionen die Mitwirkungsbereitschaft durch eine Intensivierung der Arbeitssuche erhöhen, ist bislang empirisch nicht belegt.“
Das sollte uns allen zu denken geben. Auch fünfzehn Jahre nach der Einführung eines Gesetzes, das massiv in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürger eingreift, hat keine Bundesregierung die tatsächliche Wirkungsweise erforscht und dessen Notwendigkeit nachgewiesen. Der einfache Grund: Es bestand kein Interesse, da die Begründung für diese Maßnahme aus einem Menschenbild entstanden ist und nicht aus wissenschaftlichen Fakten – was sehr viel über die Art und Weise verrät, wie wir Politik machen und als Gesellschaft begleiten.
Und das muss sich ändern. Wir sollten Politik künftig kleinteiliger denken, evidenzbasiert überprüfen und ergebnisoffen gestalten.
Ein Beispiel: Das Congressional Budget Office (CBO), eine unabhängige Organisation des Senats der Vereinigten Staaten, ermittelt vorab die Kosten einer Gesetzesvorlage. So waren es etwa diese CBO Ratings, die maßgeblich dazu beitrugen, die Rücknahme der Krankenversicherung für Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern durch die Regierung Trump zu verhindern. Durch Fakten zur Wirkungsweise und zu den Kosten wurde die ideologisch motivierte Gesetzesvorlage als solche erkennbar. Das wäre auch für uns ein guter Anfang. Aber wir müssen noch weiterdenken.
So würde kaum ein Unternehmen heute ein wichtiges Produkt so entwickeln und einführen, wie wir große gesellschaftliche Reformen in der Politik angehen. Doch auch bei Gesetzen sollten in der Praxis gewonnene Daten benutzt werden, um aus diesen Erfahrungen zu lernen und das Gesetz kontinuierlich zu verbessern.
Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, bestimmte Gesetze künftig mit einem Ablaufdatum zu versehen. So müsste dann von einer unabhängigen Stelle nachgewiesen werden, dass das Instrument nach wie vor das beste ist, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Denn auch wissenschaftliche Fakten und Verständnis von Zusammenhängen ändern sich kontinuierlich. Auf diesem Weg könnten wir jedoch versuchen, immer wieder so rational und unideologisch wie möglich auf einer faktenbasierten Grundlage zu entscheiden.
Es ist an der Zeit, Reformen der Sozialgesetzgebung nicht mehr ausschließlich auf Basis von Menschenbildern oder Glaubenssätzen umzusetzen, sondern verstärkt Forschung und bekannte Fakten mit einfließen zu lassen. Und es ist an uns als Gesellschaft, der Politik dafür den nötigen Freiraum zu geben.

Foto: Markus Burke